Braucht Wissenschaft Marketing?
Ich möchte gerne eine kurze Antwort geben auf die Frage. Braucht Wissenschaft Marketing? Und ich sage: ja!
Mir ist bewusst, dass das Marketing in einigen Bereichen keinen besonders guten Ruf genießt. Dazu gehören insbesondere staatliche Institutionen, so genannte Non-Profit-Organisationen aber eben auch Hochschul- und Forschungseinrichtungen. Sie alle sind der Meinung, dass allein ihr Zweck ihre Existenzberechtigung darstellt und daher über alle Kritik und alles Hinterfragen erhaben sind. Ebenso sei nicht nur der Absatz ihrer Produkte und Dienstleistungen unproblematisch, sondern sogar von der Bevölkerung erwünscht. Wer würde offen sagen, dass er nichts darüber weiß, dass es Organisationen gibt, die Spenden sammeln und das gesammelte Geld für einen guten Zweck ausgeben? Und wer würde dann noch sagen, dass er das nicht notwendig und sinnvoll findet.
Genauso notwendig und sinnvoll sind ja auch die von der Bundesregierung bzw. vom Parlament erlassenen Gesetze. Auch diese dienen einem höheren Zweck und müssen weder sinnvoll (nämlich kundengerecht) gestaltet noch kommuniziert werden, damit die Bevölkerung (nämlich die Zielgruppe) das Gesetz versteht und akzeptiert. Dennoch sieht man auch Werbung für solche Gesetze. Besonders sichtbar sind Werbungen des BMVI, des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, für zum Beispiel das Anschnallen, das Weglassen von Alkohol vor und während einer Fahrt und so fort.
Und wie steht es nun mit der Wissenschaft? Naja, auch Universitäten und Hochschulen dienen doch einem höheren Zweck! Hierfür Marketing oder gar Werbung zu machen, wäre ja frevelhaft. Eine Universität strahlt doch aus sich heraus. Die Universitätsprofessorin hat schon qua Titel eine Strahlkraft. Und der Forscher lässt seinen weithin sichtbaren weißen Elfenbeinturm für sich strahlen. Wer braucht da noch Werbung?
In einigen meiner Vorlesungen erzähle ich auch von der Entwicklung des Marketings. Darin erinnere ich auch an Porter, der in Zeiten schwächelnder oder sogar rückläufiger Wirtschaft geforscht hat und Konzepte entwickelt hat, die insbesondere den Wettbewerb im Fokus hatten. Und alle eben genannten Akteure befinden sich jeweils in einem Wettbewerbsumfeld. Weiterhin ist Marketing ein Konzept, eine Denkhaltung. Das Marketing ist per se nicht gut oder böse, nur der Anwender nutzt es ethisch oder nutzt es unethisch aus. Marketing ist mächtig, ja. Aber ein Forschungsergebnis, welches an den Bedürfnissen der Gesellschaft vorbei forscht oder am Ende keiner kennt, hat eben wenig Zweck. Und hier kann gutes und richtiges Marketing helfen. Man kann sich nun darüber streiten, ob Hochschulen und Universitäten selbst für ihre Mitteleinwerbung zuständig sein sollten oder zum größten Teil staatlich zuverlässig finanziert sein sollten. Aber dass eine Universität das Bildungsangebot und die Forschungsprojekte stärker an den Bedürfnissen des Marktes ausrichtet, sprich an den Bedürfnissen der zukünftigen Studenten und Studentinnen und der Gesellschaft, sollte außer Frage stehen.
Wie lautet also meine Antwort auf die Frage: Braucht Wissenschaft Marketing? Ich sage Ja zum Wissenschaftsmarketing.
Justin Becker